Vor dem anstehenden Europa League Finale möchste ich euch hier nochmal einen Blog von
Torschrei vorstellen. Wie der Titel unschwer erkennen lässt geht es um Roy Hodgson und den Fulham FC. Viel Spaß!
Wenn man sich als Fan des Fulham FC outet, dann hat man in den letzten Jahren oft nur Fragezeichen im Gesicht seines Gegenübers gesehen. Chelsea, Arsenal, Liverpool oder Manchester United sind die großen Clubs, die man hier in Deutschland kennt. Dann kommen Vereine wie Newcastle United, Tottenham, West Ham, Aston Villa oder Manchester City, oder Namen der Vergangenheit wie Nottingham Forrest und Leeds United. Selbst Millwall ist (dank ihrer Hooligans) bekannter als der älteste Fußballclub Londons.
Aber wen wundert das? Der Verein ist eine graue Maus. Im Schatten des Chelsea FC bleibt nicht viel Sonne über. Große Namen muss man in der Clubgeschichte lange suchen. Klar, George Best und Bobby Moore haben hier im Spätherbst ihrer Karriere gekickt. Aber die verbindet man eher mit Manchester United bzw. West Ham United, als mit Fulham.
Karl-Heinz Riedle ließ hier seine Karriere als Spielertrainer ausklingen. Edwin van der Saar erlebte hier seinen zweiten Frühling, bevor er weiter nach Manchester zog. Auch Louis Saha machte hier die Scouts von United auf sich aufmerksam, so wie Steve Finnan, den es zum FC Liverpool zog. Alles Spieler, die man in der Fußballwelt kennt, doch sie sind alle nur Reisende. Sie stehen nicht für Fulham, wie Gerrard für Liverpool steht oder Beckenbauer für Bayern München!
Doch auch am Craven Cottage gibt es diese Spieler, die ganz tief im Verein verwurzelt sind. Zum einen Sir Bobby Robson. Insgesamt elf Spielzeiten stand er für Fulham zwischen 1950 und 1956, so wie 1962 und 1967 auf dem Platz. Nationalspieler wurde er aber erst 1957 bei West Bromwich Albion und zu richtiger Berühmtheit gelangte er erst als Trainer der englischen Nationalmannschaft (1982 bis 1990), des PSV Eindhoven, des FC Barcelona und Newcastle United.
Zeitgleich mit Robson spielte ein weiterer Spieler für den Fulham Football Club, der den Verein bis heute prägt: Johnny Haynes. Von den Fans wurde er "Maestro" gerufen. Er war der erste Spieler, der in England ein Gehalt von 100 Pfund pro Woche erhalten hat. Pele sagte über ihn, er wäre der beste Passgeber, den er je gesehen hat und Pele spielte in einem Team mit Garrincha! Als David Backham begann die Welt mit seinen Freistößen und Flanken zu verzaubern, wurde dieser mit Haynes verglichen.
Statue von Johnny Hanyes vor dem Johnny Hanyes Stand
Foto von Adam Stone @ Flickr.com
Noch heute erinnert eine Statue vor dem Stadion an den großen Helden der Vergangenheit. Die Statue steht vor dem früheren Stevenage Road Stand, die kurz nach seinem Tod 2005 in Johnny Haynes Stand umbenannt wurde. Die Tribüne ist noch die gleiche wie vor über 100 Jahren. Insgesamt 3.571 Holzsitze wurden bereits 1905 montiert und seitdem nicht ausgetauscht. Die Tribüne steht unter Denkmalschutz, so dass nicht nur die Sitze nicht mehr wirklich zeitgemäß sind, bei Nostalgikern aber Erinnerungen an alte Tage hervorrufen.
Holzsitze auf dem Johnny Hanyes Stand
Doch auch zu Zeiten eines Johnny Haynes und eines Bobby Robson konnte der kleine Verein aus dem Westen Londons keine nennenswerten Titel gewinnen. Der einzige Titel ist der Gewinn des UI-Cups 2002. Diesen Mittwoch hat man zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte die Chanced einen echten Titel zu gewinnen. Einem großen Titel am nächsten war man bisher 1908, als man das Halbfinale des FA-Cups erreichte – und verlor in Anfield mit 0:6 gegen Newcastle United.
Dass dieses Finale überhaupt möglich ist, verdankt man vor allem zwei Männern. Zum einen natürlich Mohamed Al-Fayed, der den Verein 1997 in der 3. Liga kaufte und zurück in die Premier League führte. Dort stagnierte die Entwicklung und man konnte lediglich die Spielzeit 2003/2004 auf einem einstelligen Tabellenplatz abschließen. Im Frühjahr 2007 fand man sich dann zum ersten Mal im Abstiegskampf wieder. Erst am vorletzten Spieltag konnte man durch einen 1:0 Heimsieg über Liverpool den Verbleib in der höchsten Spielklasse feiern. Der Retter, der nordirische Nationaltrainer Lawrie Sanchez, durfte im Sommer über 30 Millionen in die Mannschaft stecken - und trotzdem blieb man auch in der neuen Saison im Tabellenkeller. Kurz vor Weihnachten wurde erneut der Trainer getauscht und Roy Hodgson übernahm das Ruder. Für weitere 15 Millionen wurde die Mannschaft im Winter verstärkt, doch der erhoffte Erfolg blieb erneut aus. Nach dem 35. Spieltag lag man auf dem vorletzten Tabellenplatz. Der Rückstand auf das rettende Ufer betrug fünf Punkte auf Reading und Bolton. Zudem lag auch Birmingham City noch vier Punkte vor den Cottagers.
The Great Escape
Am 36. Spieltag musste die Elf von Roy Hodgson auswärts bei Manchester City antreten. Zur Halbzeit lag man mit 0:2 in Rückstand und da Reading und Bolton beide punkteten, war man so gut wie abgestiegen. Neue Hoffnung gab es in der 70. Minute, als Diomansy Kamara Fulham mit seinem Tor zum 1:2 wieder zurück ins Spiel, zurück in den Klassenkampf brachte. Neun Minuten später glich Danny Murphy aus und in der 3. Minute der Nachspielzeit war es erneut Kamara, der die Fans in Extasse versetzte.
Eine Woche später kam es im Craven Cottage zum Duell mit Birmingham City. Durch Tore von Brian McBride und Erik Nevland konnte man erneut drei Punkte einfahren. Da auch Reading verlor konnte Fulham in der Tabelle zwei Plätze gut machen und zum ersten Mal im Jahr 2008 die Abstiegsränge verlassen. Durch ihren 2:0 Sieg über Sunderland hat sich Bolton hingegen retten können, da sie ein deutlich besseres Torverhältnis als Fulham und Reading hatten.
Fulham hatte es also in der eigenen Hand, ob man am Ende absteigt, oder nicht. Doch die beiden Konkurrenten erwischten den besseren Start. Zur Halbzeit führten sowohl Reading als auch Birmingham mit 1:0, während es im Fratton Park zwischen Portsmouth und Fulham noch 0:0 stand – erneut war man zur Halbzeit zweitklassig. Nach 75 Minuten führte Reading bei Derby County schon deutlich mit 3:0 und auch Birmingham lag mit 2:1 in Front, so dass Fulham auf jeden Fall einen Sieg brauchte, um die Klasse noch zu halten. In der 76. Spielminute landete auch in Portsmouth zum ersten Mal der Ball im Netz. Danny Murphy köpfte einen Freistoß von Jimmy Bullard in Tor und Fulham konnte die knappe Führung über die Zeit retten. 12 ihrer 36 Punkte holten sie an den letzten fünf Spieltagen!
"The Great Escape" in Bildern von Youtube-User Krazysheep
Entgegen der Erwartungen wurde der Kader für die neue Saison nicht komplett umgebaut, sondern nur ausgemistet und punktuell verstärkt. Mit Chris Baird, Aaron Hughes, Brede Hangeland, Paul Konchesky, Danny Murphy, Simon Davies, Clint Dempsey und Erik Nevland standen gegen den HSV neun Spieler auf dem Platz, die in den entscheidenden Spielen des "Great Escape" am Erfolg beteiligt waren. Auch der Held des Spieles gegen Manchester City, Diomansy Kamara, steht noch in Fulham unter Vertrag, kam aber in dieser Saison nur sporadisch zum Einsatz, erzielte aber in der Gruppenphase der Europa League zwei Tore.
Die folgende Saison begann gleich wieder mit einer Enttäuschung. Zum Auftakt verlor man mit 0:1 beim Aufsteiger Hull City. Doch am 2. Spieltag konnte man Arsenal im Heimspiel mit 1:0 schlagen. Das dritte Spiel (gegen Manchester United) wurde in den Februar verschoben und am 4. Spieltag konnte man erneut gewinnen, so dass man sich erstmal im Mittelfeld der Liga festsetzen konnte. Nach 13 Spielen, also nach dem ersten Drittel der Saison, lag man auf einem guten 10. Platz. Nach 13 weiteren Spielen konnte man sogar auf den 8. Platz klettern, auf einen Abstiegsplatz hatte man bereits zehn Punkte Vorsprung. Da der Sieg im Carling Cup an Manchester United ging und im FA-Cup Finale mit Chelsea und Everton zwei Teams auf den Top-6 der standen, war Ende April klar, dass auch der 7. Platz in der Tabelle für einen internationalen Startplatz reicht. Auf diesem 7. Tabellenplatz befand sich Fulham am 34. Spieltag, dicht gefolgt von West Ham United (2 Punkte zurück), Manchester City (3 Punkte zurück) und Tottenham Hotspur (3 Punkte zurück). Obwohl man noch zwei Spiele (gegen Chelsea und Everton) verlor, konnte man am Ende den 7. Platz verteidigen und man zog in die Europa League ein.
Nur zwei Monate nach dem Saisonfinale 2009 ging für Fulham die Europa League Saison in Vilnius los. Vetra Vilnius, der Vizemeister aus Litauen, stellte in der 3. Qualifikationsrunde (in dieser Runde stieg Fulham, genau wie der Hamburger SV, in den Wettbewerb ein) kein Hindernis da. Beide Spiele konnten mit 3:0 gewonnen werden. In der nächsten Runde schaltete man den russischen Vertreter Amkar Perm mit 3:1 und 0:1 aus und zog in die Gruppenphase ein.
Für Fulham lag zu diesem Zeitpunkt das Hauptaugenmerk aber noch auf der Premier League. Die Europa League wurde als Zubrot gesehen und Trainer Hodgson ließ immer eine bessere B-Elf auflaufen. Erst als man am letzten Spieltag in Basel die Chance hatte, mit einem Sieg in die KO-Phase zu gelangen, änderte sich die Meinung im Trainerteam und man schickte die beste Elf auf den Platz. Im St.-Jakob-Park konnte man mit 3:2 gewinnen und man sicherte sich Platz 2 hinter dem AS Rom. Die Römer sind übrigens das einzige Team, das im Craven Cottage nicht verloren hat. Am 3. Gruppenspieltag gelang Marco Andreolli in der 3. Minute der Nachspielzeit der 1:1 Ausgleich!
In der Zwischenrunde wartete dann mit Schachtjor Donezk der Titelverteidiger, den man mit 2:1 und 1:1 aus dem Wettbewerb kegelte. In der nächsten Runde musste man zuerst auswärts bei Juventus Turin spielen und man kam schnell die Grenzen aufgezeigt. Am Ende verlor man mit 1:3 und die Hoffnung auf ein Weiterkommen war verschwindend gering. Erst Recht, als David Trezeguet Juventus in der 2. Minute des Rückspiels mit 1:0 in Führung schoss...
Doch erneut zeigte die Mannschaft von Roy Hodgson ihre Comeback-Qualitäten und zur Halbzeit führte man mit 2:1, so dass nur noch ein Tor zur Verlängerung fehlte. Das sollte in der 48. Minute fallen, als Zoltan Gera einen Elfmeter zum 3:1 verwandelte. Und acht Minuten vor dem Ende erzielte Clint Dempsey, der gerade erst von einem Kreuzbandriss zurückkehrte, das 4:1, das den Einzug ins Viertelfinale bedeutete.
Dort wartete der VfL Wolfsburg, den man ebenso wie den Hamburger SV besiegen konnte. Und auch im Rückspiel gegen Hamburg waren die Cottagers schon totgesagt, ehe Simon Davies und Zoltan Gera die Partie in sieben Minuten drehten und den Fulham Football Club ins Finale nach Hamburg schossen. Ein Finale, an das man vor zwei Jahren nicht einmal im Traum gedacht hat. Ein Finale gegen einen Gegner, der in der ganzen Saison erst vier internationale Spiele gewinnen konnte, davon zwei in der Champions League Qualifikation gegen Panathinaikos Athen.
Sollte man in Hamburg das Finale gewinnen, dann wird Johnny Haynes bald nicht mehr alleine an der Stevenage Road stehen. Dann wird wahrscheinlich auch Roy Hodgson ein Denkmal gesetzt. Dem Mann, der Fulham vor der Zweitklassigkeit bewahrte. Dem Mann, der Fulham nach Europa führte. Dem Mann, der den ersten Titel ins Craven Cottage brachte.
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