Ganz guter Beitrag von Uwe Morawe auf sport1.de
Der Dude macht sein Ding
Bei Real belächelt, mit Spanien der erfolgreichste Trainer der Geschichte. Uwe Morawe mit einer Hommage an Vicente del Bosque.
Rückblende: das Trainingsgelände von Real Madrid im Jahr 2002. Auf abgesperrtem Parkplatz stehen die Nobelkarossen der galaktischen Angestellten - und inmitten der grellglänzenden Ferraris und Lamborghinis ein 12 Jahre alter olivgrüner Bauern-Diesel-Mercedes. Mit Flugrost und auch noch als Kombi! Wie uncool...
Fährt und ist stabil, was brauchst Du mehr? Sagt sich zumindest Trainer Vicente Del Bosque. Denn der ist so tiefenentspannt wie sonst nur The Big Lebowski. Del Bosque macht sein Ding.
Ein Jahrzehnt später. Im Moment, als Spanien sich das historische Titel-Triple holt und jeder nach dem Superlativ für den Begriff Triumph sucht, bleiben beim Vater des Erfolgs medienwirksame Siegerposen aus.
Als ich Del Bosque beobachtete, fühlte ich mich an Sepp Herberger erinnert. Zeitreise. Als 1954 Kapitän Fritz Walter den Weltmeisterschaftspokal dem Trainer überreichen wollte, wehrte der alte Sepp ab: "Lassen Sie mal, der gehört Ihnen und der Mannschaft!"
Auch Del Bosque strahlte im ganzen Getöse tiefe Zufriedenheit und innere Ruhe aus. Er strahlte aus den Augen. Er strahlte. Mehr brauchst Du nicht!
Seit dem Finale von Kiew ist Vicente Del Bosque der erfolgreichste Trainer der Geschichte - und niemandem scheint dieser Fakt so unbedeutend zu sein wie Del Bosque selbst. Wohlgemerkt, der Fakt. Das Glücksgefühl inmitten seiner Jungs, die tiefe Überzeugung, seinen Job erledigt zu haben - das bedeutet Del Bosque alles.
Dieser Mann ist ein Gegenentwurf zum vorherrschenden Zeitgeist, im dem sich jeder beliebige Sparkassenangestellte per Twitter und Facebook zur weltbedeutenden Figur aufplustert und im Fussball einfache taktische Vorgaben zu Matchplänen erhöht werden.
Del Bosque wohnt nicht unweit des Santiago Bernabeu in einem ganz normalen Wohnhaus. Mehrere Mietparteien, Tür an Tür mit Sparkassenangestellten. Del Bosque war seit Jahren nicht mehr im Urlaub.
In seiner freien Zeit fährt er mit Familie in seine Heimatstadt Salamanca und trifft sich beim Rotwein auf einen Plausch mit alten Freunden. Der Dude macht sein Ding.
Vom jetzigen Real-Madrid-Coach Jose Mourinho besitzt Del Bosque nicht einmal die Handy-Nummer. Was soll er auch mit einem reden, der sportliche Erfolge für sich und nicht für die eigene Mannschaft reklamiert, mit einem, der bewusst Schiedsrichter und sportliche Rivalen beschimpft, nur um die Aussicht auf einen Pokal minimal zu erhöhen.
Und was soll Mourinho ihm über Fußball schon sagen, was Del Bosque nicht selbst schon weiß?
Del Bosque ist eine Respektsperson in doppelten Sinne. Er behandelt alle respektvoll, die anderen mit Respekt begegnen. Den immergleichen Philipp-Lahm-Spruch: "Wir waren die bessere Mannschaft, aber haben zu viele Fehler gemacht" wird man aus seinem Moustache-Mund niemals hören.
Die Integrität ist Del Bosques Erfolgsformel und macht ihn bei all seinen Mannschaften so glaubwürdig und beliebt. Taktik und sportliche Kenntnisse gehören dazu, sind aber nicht entscheidend.
Del Bosque schafft ein Klima von sozialer Wärme. Bei ihm wird selbst eine Nationalmannschaft aus Superstars wieder zu einem ehrgeizigen D-Jugend-Team. So einen verschmitzten und lausbubenhaften Großvater wollen Enkel auf keinen Fall enttäuschen - und geben auf dem Rasen alles für ihn.
Und doch ist Del Bosque bei all seiner Gutmütigkeit konsequent im Handeln. Das Santiago Bernabeu seines geliebten Vereins Real Madrid hat er seit Jahren nicht mehr besucht.
Denn dort regiert wieder Präsident Florentino Perez. Der Mann, der ihn einst wegen seines olivgrünen Diesels rausgeworfen hatte - zu biedere Ausstrahlung für so einen Weltverein, zu wenig Glamour, zu wenig Glanz, zu wenig galaktisch, so die Meinung des Präsidenten damals.
Manche Leute haben eben keinerlei Blick dafür, was und wer wahrhaft cool ist. Ist ja auch wurscht... denn der Dude macht eh sein Ding!
Euer Uwe Morawe